Das Thema Fachkräftemangel begegnet einem gefühlt täglich – geht es Ihnen auch so? Aber es benötigt auch mehr Aufmerksamkeit als je zuvor.
Unternehmen, die noch auf das passive Ausschreiben von Stellenanzeigen setzen („Post and Pray“), laufen Gefahr, auf der Strecke zu bleiben. Denn das rein passive Ausschreiben von Stellenanzeigen reicht lange schon nicht mehr aus.
Heute ist längst vom „Arbeitnehmermarkt“ die Rede, da eine große Anzahl von Menschen nach neuen Stellen sucht oder einem Wechsel nicht abgeneigt ist.
Laut einer Gallup-Studie aus dem Jahr 2022 ist fast jeder vierte Beschäftigte in Deutschland auf dem Absprung und 42 Prozent planen innerhalb von drei Jahren eine neue Stelle zu suchen.
Das ifo-Institut gab im Sommer 2022 bekannt, dass jedes zweite Unternehmen in Deutschland vom Fachkräftemangel betroffen ist, was dazu führen kann, dass einige Unternehmen ihre Geschäfte einschränken müssen, weil ihnen qualifiziertes Personal fehlt. Es steht bezüglich der Gewinnung von Mitarbeitern die Uhr auf fünf vor zwölf.
Aufgrund dessen kommt es immer häufiger zum „Reverse Recruiting“, bei dem sich die Unternehmen bei ihrem Wunschkandidaten bewerben.
Der Schlüssel zur erfolgreichen Talentakquise: eine nahtlose Candidate Journey
Als Unternehmen können Sie sich auf diesen Arbeitnehmermarkt vorbereiten, indem Sie ein gut durchdachtes Personalmarketing und effiziente Recruiting-Prozesse implementieren, sowie eine Candidate Journey gestalten, die auf Ihre Zielgruppe zugeschnitten ist. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die „Reise des Kandidaten“ reibungslos und angenehm verläuft. Bewerber, die beispielsweise zu lange auf Zwischenbescheide oder Entscheidungen warten müssen, schließen möglicherweise parallel einen Vertrag mit einem Wettbewerber ab.
Vermeiden Sie es auch, potenzielle Kandidaten mit aufwendigen und redundanten Bewerbungsformularen zu frustrieren. Plattformen wie kununu und Glassdoor sollten von Ihnen im Auge behalten werden. Denn hier werden Arbeitgeberbewertungen veröffentlicht, die unter anderem den Bewerbungsprozess betreffen. Dabei sind es überwiegend Bewerber, die Kritik äußern, wenn sie nicht eingestellt wurden und die somit ein negatives und ggf. verzerrtes Bild von Ihrem Recruiting-Prozess schaffen.
Es ist daher ratsam, alle Prozesse, die Einfluss auf die Candidate Journey haben, kritisch zu hinterfragen und zu optimieren. Möglicherweise können Sie intelligente Algorithmen für die Bewerberauswahl einsetzen, um den Prozess zu vereinfachen. Roboter können Sie dabei sinnvoll unterstützen, ohne die finale Entscheidung zu treffen.
Die Kraft einer starken Arbeitgebermarke
Um im Arbeitnehmermarkt bei den Bewerbern punkten zu können, ist eine authentische Präsentation des Unternehmens im Internet wichtig. Über die Website, den Unternehmensblog und soziale Medien wie LinkedIn und TikTok informieren sich die Kandidaten über den Arbeitgeber. Dabei suchen sie einerseits nach Fakten, möchten vor allem aber auch die Menschen hinter der Marke kennenlernen. Beachten Sie, dass der Auftritt in den sozialen Medien oft den ersten Kontakt zu Bewerbern darstellt. Die Online-Präsenz gibt zudem Einblick in die Unternehmenskultur. Daher ist es sehr wichtig, dass das Eigen- und Fremdbild des Unternehmens gut zusammen passen.
Um bei Bewerbern positiv aus der Masse hervorzustechen, sollten Sie sich mit Ihrer unverwechselbaren und starken Arbeitgebermarke abheben und positionieren. Darüber hinaus ist eine deutlich kommunizierte Employer Value Proposition entscheidend.
Unternehmen, die ihren Mitarbeitern beispielsweise die Freiheit lassen, selbst zu entscheiden, wo sie arbeiten möchten, haben einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Firmen, die auf Präsenz im Büro bestehen. Auch sollten Unternehmen darauf achten, dass sie sich nicht als innovativ und modern präsentieren, ohne die Möglichkeit zu bieten, zeitlich und örtlich flexibel zu arbeiten, da dies als unglaubwürdig empfunden werden kann.
Und vergessen Sie nicht Ihr internes Kapital zu nutzen: denn Mitarbeiter verkörpern die Arbeitgebermarke und können als interne Markenbotschafter glaubwürdig vermitteln, was den Arbeitgeber ausmacht. Einige Unternehmen nutzen bereits Programme für Corporate Influencer, um ihre Mitarbeiter als Markenbotschafter zu positionieren. Auch die öffentliche Hand hat dieses Instrument erkannt: so hat die Stadt München im Januar 2023 ein solches Programm für Corporate Influenzier gestartet.
Wie der Corporate Purpose den Unterschied macht
Neben Gehalt und flexiblen Arbeitszeiten ist der Unternehmenszweck (Corporate Purpose) immer wichtiger für Bewerber. Eine klare, authentische und konkrete Formulierung des Unternehmenszwecks kann begehrte Talente anziehen, insbesondere solche, die ähnliche Ziele teilen. Unternehmen, die sich für Nachhaltigkeit oder soziale Gerechtigkeit einsetzen, können von Bewerbern bevorzugt werden. Wenn Unternehmen ihre Projekte und Ziele zeigen und erklären, anstatt nur auf die Einhaltung von ESG-Kriterien zu verweisen, können sie das Herz der Bewerber gewinnen.
Neue Teammitglieder nachhaltig binden
Haben Sie das begehrte Talent gewonnen und der Vertrag ist unterzeichnet, geht die Arbeit erst richtig los.
Denn Unternehmen sollten ihr Onboarding-Programm überprüfen. Ein fester Ablauf kann den Prozess vereinfachen und es den neuen Teammitgliedern ermöglichen, sich schon vor ihrem ersten Arbeitstag willkommen zu fühlen. Kreativität ist gefragt: vielleicht bekommen die neuen Teammitglieder vorab Informationen zugeschickt, werden nach ihrer Lieblingssüßigkeit gefragt oder erhalten ein T-Shirt mit dem Firmenlogo nach Hause. Am ersten Arbeitstag erwartet sie dann nicht nur die bevorzugte Süßigkeit, sondern zugleich ein gut vorbereiteter Ansprechpartner als Mentor. Bis zum ersten Personalgespräch am Ende der Probezeit sollte es weitere Meilensteine geben. So gehen Sie sicher, dass sich die neuen Mitarbeiter im Team integrieren und wohlfühlen und verhindern gleichzeitig, dass sie voreilig aufgeben.
Die Königsdisziplin im Personalmanagement: die Mitarbeiterbindung
Im Zuge des Fachkräftemangels geht es nicht mehr nur um Recruiting-Tricks. Die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen auf lange Sicht ist die Königsdisziplin. Vielleicht kennen Sie diese Rechnung: es ist fünfmal teurer einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen bestehenden zu halten. Ob durch Headhunter oder Mitarbeiterempfehlungen – Recruiting ist selten kostenfrei und die Einarbeitung neuer Mitarbeiter beansprucht Ressourcen.
Auch der Umgang mit ausscheidenden Mitarbeitern beeinflusst die Wahrnehmung des Unternehmens. Ein durchdachtes Offboarding und Talentpools sind daher wichtig, um den Kontakt zu Bewerbern und ehemaligen Mitarbeitern aufrechtzuerhalten.
Zusätzlich sollten attraktive und individuelle Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden, um Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden.
Falls Sie mehr über Arbeitgebermarke, Candidate Journey und Onboarding erfahren möchten, können Sie an unserem Seminar „Personalmarketing und Recruiting“ teilnehmen. Unsere erfahrenen Dozentinnen und Dozenten vermitteln solides Grundlagenwissen sowie aktuelle Erkenntnisse aus der Unternehmenspraxis und geben wertvolle Impulse für Ihren Arbeitsalltag.
Bildquelle: Foto von Tim Mossholder