Willkommen im neuen Jahr! Es warten wieder neue Aufgaben und neue Herausforderungen darauf, von uns gemeistert zu werden. Natürlich kann niemand von uns in die Zukunft schauen und sie voraussagen. Aber durch die Art und Weise, wie wir über die Aufgaben und Herausforderungen denken und wie wir sie uns und anderen „erzählen“, können wir deren Gelingen beeinflussen. Denn je höher die Qualität unserer Narrative ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Zukunft gut wird und wir unsere Ziele erreichen.
Die Macht der Erzählungen
Unsere Welt wird durch Narrative geprägt, seitdem es verbale Kommunikation gibt. Diese Erzählungen sind sinn- und identitätsstiftend und beeinflussen, wie wir uns und unsere Umwelt wahrnehmen.
Mythen, Heldengeschichten aber auch Opfergeschichten sind Beispiele dafür. Sie prägen das Weltbild und die Identität von Ethnien, Nationen und religiösen Gemeinschaften, ebenso wie von Individuen. Diese Erzählungen geben aus subjektiver Sicht den Grund für einen unerwünschten Zustand und haben ein klares Feindbild.
Die Differenz zwischen Erzählen und Erklären
Möchte man jemanden von etwas überzeugen, kann man dies am besten mit einer lebendigen und bildhaften Darstellung. Diese Wirkung ist oft stärker, weil sie andere Teile unseres Gehirns anspricht, als es rationale Argumente tun. Natürlich sind auch für mich Fakten und logisches Argumentieren wichtig. Es stellt sich jedoch die Frage, warum uns eine gute Geschichte mehr bewegt und mitreißt, als eine logische Analyse?
Denken wir an erfolgreiche Verkäufer – sind diese nicht auch Meister im Erzählen von Geschichten? Ohne das Erzähl-Talent von Steve Jobs, wäre Apple heute nicht das, was es ist. Seine Keynotes waren ein mediales Highlight und das Publikum hing an seinen Lippen, während es das neue Produkt als eine visionäre Erzählung einer begehrenswerten Zukunft sah.“
Die neurowissenschaftliche Sicht
An dieser Stelle möchte ich auf eine neue Publikation hinweisen, die das Thema untersucht, wie unser Leben durch Geschichten geprägt wird und wie wir „als narrative Wesen“ uns durch das Erzählen „in der Welt verankern“. Das Buch heißt „Das narrative Gehirn: Was unsere Neuronen erzählen“ und wurde vom deutschen Kognitionswissenschaftler und Germanisten Fritz Breithaupt verfasst, der in den USA lehrt und forscht.
Das Buch bietet auch eine mögliche Antwort auf die Wirkung des Erzählens. Breithaupt zeigt auf neurowissenschaftlicher Ebene, wie wir durch eine gute Erzählung mit bestimmten Emotionen belohnt werden. Durch das Wiederholen von Geschichten aktivieren wir das Belohnungszentrum im Gehirn. Als Nebeneffekt entstehen auch festgefahrene Erzählungen, die zwar Identität und Sinn bieten, aber eine persönliche, unternehmerische oder gesellschaftliche Weiterentwicklung behindern können. Die Ausgangsfrage des Buches lautet: Warum lassen wir uns überhaupt auf das narrative Denken ein? Breithaupts Antwort lautet: „(…) weil es uns mit dem Erleben von Emotionen belohnt. Die jeweilige Emotion ist an sich bereits etwas, dass wir positiv bewerten. (…) Die narrativen Emotionen, von denen in diesem Buch die Rede sein wird, bestimmen, wie wir leben und auch, wie gut wir leben.“
Unsere Sucht nach Narrativen
Der Grund für unsere Sucht nach Erzählungen ist, dass die positiven Emotionen, die durch eine gute Geschichte ausgelöst werden, direkt das Belohnungszentrum im Gehirn zu stimulieren. Dies macht uns süchtig. Aber das ist nicht alles. Indem wir Geschichten erzählen, können wir auch eine alternative Wirklichkeit ausprobieren, ohne deren negative Auswirkungen zu erfahren. Dies passiert beispielsweise in Büchern, Filmen oder den Social Media. Dazu sagt Breithaupt: „Insofern ist narratives Denken ein großartiges Medium des Erlebens und Planens.“
Wir leben unser Leben also sowohl in der Realität als auch in der Fiktion. Diese Fiktion besitzt eine eigene Form der Realität und Überzeugungskraft, die es uns ermöglicht, neue Ideen und Lebensentwürfe in den Erzählungen zu erkunden. Dies hat laut Breithaupt klare evolutionäre Vorteile, darin liegt definitiv eine funktionale und existenzsichernde Aufgabe des narrativen Denkens.
Eine gute Geschichte bewirkt etwas Außergewöhnliches, denn: „Die Erfahrungen von einem Menschen können zu den Erfahrungen von anderen Menschen werden. Wir sind keine Einzelwesen, sondern ein Netzwerk von Individuen. Schwämme, Ameisen und Säugetierherden schaffen es nur in Fällen unmittelbarer Gefahr, diese Erfahrung als blinde Panik weiterzugeben. Wir dagegen multiplizieren unsere Erfahrungen ständig.“
Die Stärken des Storytellings
Das narrative Denken und das Geschichtenerzählen spielen auch in der Wirtschaft eine große Rolle, wie beispielsweise beim Storytelling zu sehen. In der Unternehmenskommunikation, im Marketing und in der PR nimmt das Storytelling aufgrund der fragmentierten Märkte und sinkenden Markentreue eine zunehmende Bedeutung ein.
Ist man in der PR, Marken- und Imagepflege, der Corporate Identity, Produkt- oder Unternehmenskommunikation zuhause, so weiß man um die glaubhafte und wirksame Kraft einer gut erzählten und authentischen Unternehmens- oder Produkt-Geschichte. Unternehmen investieren viel Geld, um diese Geschichte über mehrere Kanäle (Fachbegriff: Multichannel) zu verbreiten, so dass sie weitererzählt wird. Außerdem soll sie sich in das Langzeitgedächtnis potenzieller Kunden eingraben, so dass sie automatisch abgerufen wird, sobald der Name des Unternehmens oder Produkts auftaucht.
Auch in der Mitarbeiterkommunikation greifen HR-Manager häufig auf das Storytelling zurück, um Identität und Sinn zu stiften. Ein gut gemachtes Storytelling kann ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen, nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch darüber hinaus. Die Mechanismen, die bei den Mitarbeitern wirken, zeigen meist auch außerhalb des Unternehmens ihre Wirkung.
Stories, die begeistern und überzeugen
Storytelling kann auch eingesetzt werden, um komplexe Themen aus Forschung und Entwicklung oder Wissenschaft auf einfache und ansprechende Weise darzustellen. Kein Start-up kommt ohne eine gut vorgetragene Equity Story aus, die vor Investoren und Analysten das Kernkonzept des Geschäftsmodells anschaulich und überzeugend zusammenfasst und eine möglichst positive Vision für die Zukunft vermittelt. Auch der bekannte Elevator Pitch, eine ultrakomprimierte Version einer Präsentation, nutzt die Elemente des Erzählens, einschließlich eines überzeugenden Versprechens eines einzigartigen Nutzens und damit verbundenen Markterfolges.
Die selbsterfüllende Prophezeiung
Unsere Geschichten prägen nicht nur unsere Wahrnehmung der Welt und uns selbst, sondern beeinflussen auch, „wie wir leben und auch, wie gut wir leben“. Daher ist es wichtig, dass wir sie so verändern, dass sie uns guttun und uns weiterbringen.
Wenn wir auf das vergangene Jahr zurückblicken, entscheidet unser Blickwinkel, welche Geschichte wir erzählen. Wenn wir uns auf Krisen und Katastrophen konzentrieren, erhält das Narrativ eine ganz andere Dimension als wenn wir auch die schönen Momente im Leben würdigen. Es ist bekannt, dass das Narrativ, das wir uns im Jahr 2023 vorwegnehmend erzählen, unsere Ziele und Handlungen steuern wird. Eine positive Erwartung macht es leichter, das gewünschte Ziel zu erreichen, aber auch umgekehrt gilt: Was wir denken, werden wir. Dieses Konzept ist auch als selbsterfüllende Prophezeiung in der Psychologie bekannt.
Stärken Sie Ihre Zukunft durch bewußte Erzählungen
Wir wünschen Ihnen, dass Sie für sich und Ihr Unternehmen ein kraftvolles und positives Narrativ für das neue Jahr erschaffen. Überwinden Sie alte, hinderliche Sichtweisen und schaffen Sie neue, inspirierende Geschichten.
Wir sind zuversichtlich, dass Sie in unserem Online- oder Präsenz-Seminarangebot genau das finden werden, was Sie brauchen, um Ihre Fähigkeiten im Erzählen zu verbessern und bewusster einzusetzen. Schauen Sie sich beispielsweise die Kurse zum Thema Storytelling oder Elevator Pitch an. Sie werden Ihnen helfen, Ihre Geschichten über sich selbst, Ihre Projekte oder Ihr Unternehmen spannend und überzeugend zu erzählen.
Bildquelle: Image by Freepik